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Ramadan, Oman und ich – und plötzlich war es ganz anders …

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Ich habe während des Ramadan gefastet – und das zum ersten Mal im meinen Leben. Aus Solidarität zu meiner omanischen Gastfamilie? Eher aus Neugierde. Ein Teil meiner bosnischen Familie ist moslemisch und einige Familienmitglieder fasten regelmäßig.

In Deutschland aufgewachsen kam es mir verrückt vor sich das „selbst anzutun“ und von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nichts zu essen und zu trinken. Kaum vorstellbar in meinem „deutschen“ Leben! Außerdem taten mir meine moslemischen Freunde und KollegInnen leid, weil sie das  durchstehen mussten.

Dennoch, etwas Neid war schon immer dabei für diese Beherrschung des Körpers und der Seele, etwas was ich mir selbst mir kaum zutrauen würde.

„Ich gebe zu. Es gab Zeiten, da fand ich es ziemlich „verantwortungslos“, was den Menschen durch den Ramadan zugemutet wird. Ich konnte es nicht verstehen, weshalb man sich das freiwillig antut. Doch irgendwann kam bei mir die Einsicht: bevor ich weiter kritisiere, möchte ich es selbst erleben und dann urteilen.“

Das Fasten in meiner Gastfamilie

Nun lebe ich im Oman. Schon seit Monaten freuen sich die Menschen hier auf den Monat Ramadan. Wurde dieses Erlebnis erwähnt, erstrahlte stets ein Lächeln auf den Lippen. Wie konnte so eine „körperliche Tortur“, als was sie bei uns in der westlichen Welt gesehen wird, solch eine Freude bereiten? Meine Antwort auf diese Frage: es selbst versuchen.
Also erzählte ich meiner omanischen Familie, dass ich mitfasten würde. „Wirklich? Aber Du musst nicht. Wir haben kein Problem damit. Es gibt jeden Tag Frühstück und Mittagessen für die Kinder und unsere Haushälterinnen. Daher mach Dir keine Umstände.“
„Doch, ich werde mitfasten.“ Sie sind angetan und einige meiner Brüder grinsen sogar, weil sie es sich eh nicht vorstellen können, dass ich das durchhalte.

Es geht los - Wie streng ist der Ramadan im Oman?

Tag 1 meines ersten Ramadans. Von den Zeiten her ist der Ramadan im Oman noch recht „human“. Sohoor, das Frühstück, wird bis ungefähr 4 Uhr in der Früh eingenommen. Fotoor oder Iftar, das Fastenbrechen, gegen gegen 18.50 Uhr.
Die Zeiten, die im Ramadan in Deutschland eingehalten werden, sind Frühstück bis 2.45 Uhr morgens und Abendessen ab 20.30 Uhr. Zusätzlich muss in Deutschland wie üblich acht Stunden mit voller Energie mitgearbeitet werden.

Im Oman wird während Ramadan nur noch fünf Stunden gearbeitet. Unis und Colleges sind weiterhin aktiv und es werden auch Prüfungen geschrieben. Also kein Mitleid mit den Studenten. Auch ich muss weiter in die Sprachschule.

Mein Frühstück

Ich stehe kurz nach drei Uhr auf, denn ich möchte mir mein Frühstück selbst zubereiten. Meine omanische Familie isst puren Reis mit Joghurt und trinkt ein Joghurt-Milch-Mixgetränk dazu. Dazu werden Bananen gereicht und die gesunden Datteln dürfen natürlich nicht fehlen. Ganz wichtig: reichlich Wasser trinken. Ich bin grundsätzlich kein Frühstückstyp, aber ich weiß, dass ich was zu mir nehmen muss. Auf Essen zu verzichten ist für mich kein großes Problem, aber auf Wasser?

Ich entscheide bei meinem üblichen Frühstück zu bleiben: Mandelmilch-Bananen-Avocado-Shake mit Ingwerpulver. Außerdem trinke ich viel lauwarmes Wasser mit Rosenwasser und esse Datteln dazu – immer in einer ungeraden Menge.

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Mein Frühstück - der Mandelmilch-Bananen-Avocado Shake

Der erste Tag

Wenn ich keinen Unterricht habe oder eine Deadline einhalten muss, dann schlafe ich definitiv länger.  Während des Tages vermeide ich es in der Mittagshitze nach Draußen zu gehen, da es aktuell bis zu 42 Grad Celsius heiß wird. Körperlich geht es mir am ersten Tag allerdings erstaunlich gut! Auch mein Wasserhaushalt scheint gut zu sein!

Im Haus ist es ruhiger als sonst und erst am späten Nachmittag erweckt es zu Leben. In der Küche wird fleißig gearbeitet, um das Abendessen vorzubereiten. Es gibt leckere Suppen mit Haferflocken und viel Gemüse, Samosas, gefüllte Blätterteigröllchen, sowie Crepes mit Honig und Gheimat, eine Art Quarkbällchen mit Honig und Sesam. Und natürlich reichlich Wasser mit Rosenwasser und Datteln, mit denen das Fastenbrechen eröffnet wird. Alle sind gut drauf, es wird gelächelt und gemeinsam gegessen in Dankbarkeit für das gemeinsame Fasten. Gegen zehn Uhr abends gibt es dann klassisches Abendessen. Als Nachspeise werden viele frische Früchte gereicht. Meine Familie ist sehr bewusst in Sachen Ernährung.
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Ich fühle mich sehr gut! Dies kann natürlich auch nur die Anfangseuphorie sein. Ich werde in den nächsten Tagen sehen, wie es weitergeht.
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Fasten - Zeit zum Besinnen

Doch auch an den nächsten Tagen geht es mir gut. Was sich aber ändert: meine Gesinnung. Dadurch, dass ich meinem Körper nichts zum Essen und Trinken zufüge, ist eine ganze Menge an Energie da, da er nichts verdauen muss. Diese Energie wird nun vom Geist beansprucht und bringt katapultiert mich brutal in Gedanken über mich selbst, mein Leben, mein jetziges Dasein …  und was will ich eigentlich wirklich?

Seit Jahren habe ich mich nicht so intensiv mit mir auseinander gesetzt. Sicherlich, ich habe meinen Traum erfüllt, habe einiges aufgegeben und bin in den Oman gezogen um die Sprache zu lernen. Aber auch um die Traditionen kennenzulernen und auch mit dieser zu leben.  Aber was sind meine tiefsten Wünsche? Diese werden von uns meist gar nicht wahrgenommen und falls sie doch an der Oberfläche erscheinen sollten werden sie verdrängt, weil sie „absurd und unrealisierbar sind.“ Wir beschäftigen uns mit vielen unwichtigen Dingen, aber mit uns selbst am wenigsten. Nun, Fasten zwingt Dich dazu – denn es gibt kein Entkommen. 
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Dies waren meine persönlichen Erfahrungen.  Während dieser Zeit dachte nicht über Essen und Trinken nach, das geriet in den Hintergrund. Die Seele und der Körper wollten, dass ich mich mit ihnen beschäftigte. 

Mir kommen Zweifel mir selbst gegenüber. Kenne ich mich überhaupt? Wer bin ich? Was habe ich überhaupt im Leben geleistet. Bin ich lebensfähig? Habe ich überhaupt dieses Leben verdient? Das war alles andere als einfach. Ich hatte das Gefühl durchzudrehen.  dachte, ich drehe gerade durch. Sollte ich doch wieder zumindest was trinken oder gar essen? Nein, der Körper und Geist wollen nicht! Sie zwingen mich, weiter mich mit mir zu beschäftigen. Nun gut, dass werde ich in das kalte Wasser springen und es tun! 

Der kalte Entzug

Doch dann muss ich reisen und das Fasten für drei Tage abbrechen. Zuerst dachte ich mir, das wird mir gut tun. Doch das Gegenteil traf ein.
Ich vermisse es, weil ich fühle, dass die Auseinandersetzung mit mir selbst nicht abgeschlossen ist! Ich bin froh, als ich bei meiner Rückkehr weitermachen kann! Schon im Flugzeug auf dem Weg in den Oman beginne wieder ich mit dem Fasten. Ich genieße es, so früh aufzustehen und draußen unter dem Mond und den Sternen mein Sohoor einzunehmen und dem Gebet zu lauschen, bevor ich mich wieder ins Bett lege, um zu schlafen. Manchmal, am Wochenende, mache ich die Nacht durch bin zum Sohoor. Ausgehen am Abend mache ich ungern – zu viel Stau. Wir erledigen alles in der Früh oder direkt nach dem Fastenbrechen. Da sind die Straßen und Kassen schön leer.
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Für die Gemeinschaft und Gesellschaft

Meine Familie fragt mich, wie ich Ramadan erlebe. Ich erzähle ihnen die Wahrheit. Sie beruhigen mich und bestätigen, dass es jedem so geht. Dafür ist der Fastenmonat auch gedacht. Es geht nicht darum, dem Körper Essen und Trinken zu entziehen. Dieser Vorgang gibt unserem Geist die Kraft, um zu sich selbst zu finden. Man verbringt auch viel Zeit mit der Familie am Abend, um das Gemeinschaftsgefühl wieder zu stärken – auch zur Gesellschaft da draußen und das weltweit. In dieser Zeit wird uns wieder klar gemacht, dass alle Menschen gleich sind und Liebe und Respekt im Vordergrund stehen.
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Die Dattel, der gesund Energielieferant während des Ramadans

Mein Resumé - Leben und leben lassen

Ramadan ist nun vorbei. Ich bin dankbar, dass ich ihn in allen Zügen mitfühlen konnte und durfte. Diese intensive Zeit mit sich selbst hat mich verändert – zum Positiven. Ich habe nun mehr Respekt zu mir selbst und ich traue meinem Körper nun noch mehr zu! Und meiner Seele schenke ich noch mehr Aufmerksamkeit!
Auch das Überwinden der Oberflächlichkeit des Alltags, der durch materialistische Dinge und unwichtige Sorgen geprägt sein kann, tat ungemein gut. Doch was es mich vor allem gelehrt hat: Demut vor all den muslimischen Mitbürgern, die Fasten praktizieren und das angepasst unseren täglichen Arbeits- und Lebensrhythmus, ohne dabei ihr Lächeln zu verlieren. Ich schäme mich nun, dass ich sie vorher nicht ernst genommen oder gar sogar für verantwortungslos gehalten habe. Doch das ist auch Ramadan – das Wahre zu erkennen, ohne dabei den Alltag außer Acht zu lassen, der in unserem täglichen Leben und im Fortbestand der internationalen Gemeinschaft natürlich mit eine wichtige Rolle spielt.
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2 Kommentare

  1. Ein sehr persönlicher und spannender Einblick…. Auch ich frage mich schon längere Zeit, was ein Ramadan mit mir machen würde…Vielen Dank für Ihren Artikel und weiterhin alles Gute in diesem wunderschönen Traumland Oman

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