Nedad Memić: „Bosnische Wörter bereichern auch die deutsche Sprache!“
Ein Bosnier mag keine hohštapler, er benutzt gerne escajg für die Mahlzeiten, die er am šporet zubereitet hat. Sie denken, das sei Deutsch nach Balkanart? Keineswegs! Es sind Begriffe, die in der bosnischen Sprache verwurzelt sind und so im Alltag verwendet werden. Der promovierte Germanist Nedad Memić hat nun ein Buch herausgebracht, das sich mit dieser interessanten Thematik beschäftigt. Liest man sein „Wörterbuch der Germanismen und Austriazismen im Bosnischen“ (Original-Titel: Riječnik germanizama i austrijacizama u bosanskome jeziku), wird man erstaunt sein, wie viele gängigen Begriffe im Bosnischen aus dem Österreichischen adoptiert wurden. Vor allem für Zweisprachler ist es eine interessante Literatur, da Germanismen im Bosnischen vorhanden sind, die ein Österricher nicht mehr verwendet. So dient das Buch nicht nur als Wörterbuch, sondern leistet einen wertvollen Beitrag zur Geschichte der Philologie. Auch wenn das Buch aktuell nur in bosnischer Sprache zu haben ist, wird ein Deutschsprachler dennoch recht viel darin verstehen. Im Interview erzählt Memić, weshalb er beschloss, die erste Auflage in der Muttersprache zu veröffentlichen und wie bosnische Begriffe das Deutsche bereichert. Wer dieses Buch in seiner Bibliothek stehen hat, taj nema promlema!
Waren Sie über die hohe Anzahl an Germanismen in der bosnischen Sprache erstaunt?
Eigentlich nicht, denn der Kulturkontakt des ganzen südslawischen Raums mit dem deutschsprachigen Raum (insbesondere im Rahmen der Habsburgermonarchie) war zum teil sehr intensiv. Ich war mehr darüber erstaunt, wie sich manche Germanismen hartnäckig vor allem in der bosnischen Umgangssprache erhalten haben.
Was ist Ihr Lieblingswort?
Das ist sehr schwer zu sagen. Wörter haben, wie in der Linguistik bekannt ist, eine denotative und eine konnotative Bedeutung. Diejenigen Germanismen, die eine starke Konnotation im Bosnischen haben, verwende ich oft sehr gerne, z.B. hohštapler («Hochstapler»). Wer hätte gedacht, dass so ein langes deutsches Wort im Wortschatz jedes Bosniers gang und gäbe ist? Eine andere Gruppe sind die Wörter, die aus einem bairisch-österreichischen Dialekt kommen und die in Österreich zum Teil gar nicht mehr gebräuchlich sind wie escajg von Esszeug (Besteck) oder švorc von schwarz (pleite) oder šporet von Sparherd (Kochherd). Diese Wörter erzählen eine interessante Geschichte.
Es gibt auch bosnische Begriffe in deutscher/österreichischer Sprache?
Ja, aber sie sind sehr okkasionell, weil der Kulturkontakt eigentlich ziemlich einseitig war: Deutsch war in der Regel die Gebersprache, Bosnisch die Nehmersprache. Im Wienerischen und Niederösterreichischen benutzt man immer noch das Wort Bosniak, wenn man auf ein Kümmelweckerl referiert. Dann gibt es natürlich die berühmten ćevapčići, die in Österreich ganz anders aussehen und schmecken als in Bosnien-Herzegowina. Was natürlich auch interessant ist, sind Übernahmen aus dem Bosnischen, Kroatischen und Serbischen in manche österreichische Soziolekte wie Jugendjargon mit Wörtern bzw. Wendungen wie šefica (Chefin) oder nema problema (alles in Ordnung) usw.
Schade, dass es Ihr Buch nicht deutscher Sprache gibt.
Ich wollte die erste Auflage absichtlich dem bosnischen Publikum widmen, um auch einen Beitrag zur lexikografischen Erforschung des Bosnischen zu leisten. Das heißt aber nicht, dass die Arbeit an der Erforschung von Germanismen im Bosnischen beendet ist. Es gibt noch viel zu tun.
Der eine andere Begriff hört sich sehr lustig an. Sie hatten sicherlich Spass beim Verfassen des Buches.
Absolut. Es war einerseits interessant, dass manche Wörter, von denen ich dachte, dass sie nie deutschen Ursprungs sein könnten, doch deutsch waren, wie z.B. ganjak von Gang, oder ranac von Ranzen usw. Auf der anderen Seite war sehr interessant zu sehen, wie Wörter aus allen Varietäten des Deutschen zu uns kamen: z.B. das Wort Goiserer ist selbst in Österreich ein dialektales Wort, das man in Städten gar nicht mehr hört. Im Bosnischen sind gojzerice aber ein gängiges Wort für alle festen Schuhe oder Wanderschuhe.
Welcher bosnischer Begriff sollte in die deutsche/österreichische Sprache eingehen?
Wenn das passiert, dann können wir sicher sein, dass man die bosnische Kultur als wichtig und prestigeträchtig betrachtet. Ich glaube, das Wort sevdah bzw. sevdalinka wird auch im Deutschen immer bekannter, und das freut mich.
Und welcher bosnische Begriff würde die deutsche/österreichische Sprache bereichern?
Jede Kultur hat ihre eigenen Begriffe, die quasi unübersetzbar sind. Ich glaube, jedes Konzept ist übersetzbar, das, was es spezifisch macht, sind unsere Assoziationen und Konnotationen. Wir in Bosnischen haben etliche Wörter, die zum Teil orientalisch sind, aber schon so sehr bei uns verwurzelt, dass wir sie als Ausdruck typischer bosnischer Lebensweise wahrnehmen wie merak, rahatluk, ćeif, sie könnten womöglich auch das Deutsche bereichern.
Nedad Memić ist promovierter Germanist. Der Journalist wurde in Sarajevo geboren, wo er Englisch und Deutsch studierte. Er promovierte an der Wiener Universität über den sprachlichen Austausch des Deutschen mit dem Bosnischen, Kroatischen, Serbischen unter dem Titel „Entlehnungen aus dem österreichischen Deutsch in der Stadtsprache von Sarajevo“ (2006). Heute lebt er in Wien und ist Chefredakteur des zweisprachigen Magazins KOSMO.
Über das Buch des Autors:
Riječnik germanizama i austrijacizama u bosanskome jeziku, Sarajevo, 2014
285 Seiten
ISBN: 978-9958-29-059-6
Erschienen bei Connectum
Sehr cool! Der Nenad Memic war vor einigen Monaten bei uns am Institut (ich studiere Südslawistik) und hat dort einen Vortrag gehalten. Habe mich gefreut, dass hier über ihn geschrieben wird 🙂
Hej, danke für den Tipp. Da muss ich ja a) das Buch kaufen und b) den Nedad dazu interviewen. Wozu lebt man denn in der gleichen Stadt und hat Telefonnummern ausgetauscht?
Hallo Christbaumgarten, eine sehr kluge Entscheidung;-)) Das Buch macht sehr viel Spaß:-))
Wir haben das Buch vor einigen Wochen bei Connectum gekauft – und es ist absolut empfehlenswert und macht Freude, darin zu lesen..