César Muntada: „Licht der Zukunft steht für Kommunikation“
Was macht die DNA von Audi aus? Licht spielt dabei eine wichtige Rolle. Ein Besuch in der Kreativwerkstatt von César Muntada, Head of Lightning Design bei bei Audi, brachte nicht nur Licht ins Dunkel, sondern auch eine Reise in die Zukunft mit Lichtgeschwindigkeit.
Wer zum ersten Mal einen Audi bei Nacht fährt, merkt einen großen Unterschied zu anderen Automodellen. Sein Licht macht die Dunkelheit zum Tag. Aber nicht nur die Helligkeit zieht den Fahrer in ihren Bann, sondern auch das Design der Lichtreflektoren. Es ist, als kommuniziere das Auto sowohl mit der Innen- als auch mit der Außenwelt.
“Ein Audi muss bei Nacht auf den ersten Blick erkennbar sein, von nah und von fern“, erklärt mir César Muntada, Head of Lightning Design bei der AUDI AG.
Die DNA für den Kommunikationscode
Schon lange vom Lichtdesign begeistert und neugierig auf die DNA von Audi, luden mich César Muntada und sein Team in ihre Kreativwerkstatt nach Ingolstadt ein. Das Gebäude ist ein architektonisches Kunstwerk mit funktionaler Behaglichkeit. Die Empfangshalle ist ein weitläufiger Raum, in den durch große Glasflächen viel Licht fällt. Mitten in diesem Raum steht der künftige Audi Q6 e-tron im eleganten weißen Erlkönig-Kostüm. Heck- und Frontscheinwerfer sind zu sehen. Und die sehen erwartungsgemäß ganz anders aus als das, was wir bisher von der Straße kennen. Die digitale OLED-Heckleuchte, bestehend aus sechs OLED-Panels mit insgesamt 360 Segmenten, ist eine leuchtende Symbiose aus vielen kleinen Dreiecken und in Bewegung wie ein fließender Wasserfall. „So eine Diode ist 200-mal dünner als ein menschliches Haar“, erklärt mir Muntada, was mein Staunen noch um einige Stufen erhöht.
Das völlig neue Design der Heckleuchten begeistert Ingenieure und Designer, die bei Audi Hand in Hand arbeiten. Auf zweidimensionalen Flächen entstehen dreidimensionale Formen. „Audi war der erste Hersteller, der OLEDs einsetzt hat. Wir sind mit unseren Ingenieuren seit fast 10 Jahren an der Entwicklung der Technologie dran. Erfolg braucht Zeit, aber auch ein Team, das dieselbe Vision teilt. 450 Design- Mitarbeiter aus 25 Ländern arbeiten hier gemeinsam mit unseren innovativen Entwicklern und gestalten die Zukunft der Mobilität“, erzählt mir stolz Muntada, der seit 2007 hier arbeitet, pardon, kreativ ist.
César Muntada wurde 1967 als Sohn einer Künstlerfamilie in Barcelona geboren. Sein Vater war Architekt, seine Großmutter Pianistin. Schon früh wusste er, dass er Designer werden wollte. Ob es Licht sein würde? Das wusste er damals noch nicht. Inspirationen für seine spätere Laufbahn erhielt er als Kind sicherlich von Rótulos Roura, der 1930 gegründeten Werbefirma seines Großvaters. Das vor allem in der Neonreklame führende Unternehmen war auch für seine überdimensionale Eule mit riesigen Augen auf dem Dach bekannt, die nachts leuchtete. Und während die Werbung einige Jahre später aus dem Stadtbild verbannt wurde, blieb die Eule, die längst zu einem unverwechselbaren Symbol Barcelonas und zu einem beliebten Treff- und Orientierungspunkt der Stadt geworden war.
Die Eule, seit Jahrtausenden Symbol für Weisheit und Intuition, bringt mit ihren magischen Augen Licht ins Dunkel. Und genau das tun Muntada und sein Team – sie bringen auf sehr weise Weise Licht in die mobile Welt. „Licht ist das erste, was wir Menschen sehen, wenn wir auf die Welt kommen. Von da an begleitet es uns ein Leben lang, Tag und Nacht. Unsere Wahrnehmung hängt davon ab, wie das Licht die Welt beschreibt. Schon als Kinder lernen wir, die Welt um uns herum nach Sonne und Mond zu ordnen. Licht lehrt uns, was freundlich, gefährlich, spitz, rund, nah, weit oder fern ist.
Die DNA für die Symbiose von Design und Philosophie
César Muntada, der Design und Philosophie studiert hat, lässt sich vom Licht inspirieren, das die Welt jeden Tag verändert, zum Beispiel durch die Jahreszeiten. Eine Kombination aus Philosophie und Design findet sich in seiner Arbeit und damit auch in der DNA von Audi: „Auf den ersten Blick definiert sich ein Auto im Wesentlichen durch zwei Dinge: seine Proportionen bei Tag und seine Lichter bei Nacht, wenn die Proportionen nicht sichtbar sind. Wenn man in die Scheinwerfer eines Autos schaut, ist das ein bisschen so, als würde man einem Menschen in die Augen schauen: Man sieht die Schönheit der Form, aber man kann auch den Charakter dahinter erkennen.“
César Muntada führt mich in einen überdimensionalen Raum, ganzohne Fenster. Dort stehen lediglich ein paar Stühle und eine überdimensionale horizontale Leinwand. „Dieser Raum ist der Ort für die erste Präsentation unserer neuen Modelle vor dem Vorstand. Ich möchte Ihnen hier einen tieferen Einblick in unsere Licht-DNA geben.“ Muntada lächelt, ich bin aufgeregt. Ich fühle mich wie in einem Meditationsmodus, in dem man als Nichts das Diesseits verlässt und in eine Sphäre ohne Raum und Zeit eintritt. Einfach nur sein. Bereit für die Erleuchtung!
Die DNA zum Wissen, Fühlen und Träumen
Muntada zeigt mir in einer Präsentation, was Audi ausmacht. Es ist eine Reise in eine magische Welt aus Design, Kunst und Weisheit. Er erklärt mir die Bedeutung des Lichts: „Am Horizont entsteht das Licht, dort ist auch immer Licht“. Blicken wir nicht oft zum Horizont, um die Sonne aufgehen oder untergehen zu sehen? Dorthin, wo die Sonne jeden Tag geboren wird und stirbt, wie es die alten Ägypter so wunderbar beschrieben haben? Wo das Licht kommt und geht? Das bringt uns das Licht: Wissen, Fühlen, Träumen. Das Wissen schenkt uns die Natur. Wir müssen nur im Einklang mit ihr sein. Die Welt der Emotionen gibt uns die Möglichkeit zu fühlen. Wir müssen uns nur den Gefühlen hingeben.
Und die digitale Welt? Sie gibt uns die Möglichkeit zu träumen und diese Träume zu verwirklichen! Mission: Ein Erlebnis schaffen, das bleibt. „Less is More“ – die DNA von Audi ist zeitlos wie der Bauhaus-Stil oder der des Architekten Mies van der Rohe. „More from less“ – die DNA ist Integration wie die futuristische Architektur von Buckminster Fuller. „Less but better“ – die DNA ist Fortschritt wie die klaren Funktionalitäten und einfachen Formen des Industriedesigners Dieter Rams, der mit seiner holistischen Formgestaltung für „Braun“ sogar „Apple“ inspirierte. All das vereint Muntada im Lichtdesign.
Die DNA für Fortschritt durch Licht
Muntada verbindet Technologie und Design zu einem klaren, emotionalen Erlebnis. Mir wird ein Film über die Geschichte des Lichts gezeigt. Er beginnt mit einer Petroleumlampe beim Horch, die abends angezündet wird, und endet mit einer Vision der Zukunft. Von 1920 bis 1970 ändert sich nach heutigen Maßstäben relativ wenig. Doch dann geht die Entwicklung rasant weiter: „Der Abstand zwischen den Jahren wird immer kürzer. Lichtinnovationen kommen in eine rasante „Lichtgeschwindigkeit“ und in dieser bewegen wir uns seitdem vorwärts“, erzählt Muntada begeistert. Das Licht liege in unseren Genen. Ich glaube ihm sofort. Seine Begeisterung steckt einen schnell an.
Die Präsentation, die gefühlt die ganze breite Wand vor mir ausfüllt, katapultiert mich in ein zukünftiges Universum. Umgeben von Dunkelheit, die zunächst erhellt wird vom fließenden Licht der digitalen Matrix-LED-Scheinwerfer, der digitalen OLED-Heckleuchten, des zusätzlichen Laser-Fernlichts. Audi ist heute digital, individuell und in Bewegung. „Mit der neuen Audi Modellgeneration haben wir das Licht digitalisiert. Das zeigt sich zum einen in der segmentierten Signatur, die durch Licht und Schatten den binären Code der digitalen Welt widerspiegelt. Zum anderen haben wir Licht in Bewegung gebracht. Dynamische Animationen unterstreichen den progressiven Charakter unserer Modelle und lassen die Scheinwerfer zu digitalen Augen werden. So entsteht eine Kombination aus physischer und digitaler Erfahrung“, erklärt Muntada.
Die DNA des Lichts als Sprache
Wir sind in der Zukunft angekommen. Eigentlich sind wir mit Audi schon in der Zukunft. Tagsüber wird Licht als Komponente eingesetzt. Aber nachts formt Licht die Marke. Dann ist es in Bewegung. Mit digitalen OLED-Heckleuchten kann man viel machen. Mit organischen Leuchtdioden kann man kunstvoll die Ästhetik des Lichts gestalten, die nach außen zur Gesellschaft spricht. Ja, richtig gelesen! Wir Menschen sind sozial. Und dank AI wird es in Zukunft eine Lichtsprache geben. Das A in AI steht hier neben artificial auch für Auto. Die Zukunft ist eine Symbiose aus Digitalisierung, Personalisierung und Dynamik. AI kann aber auch für „AESTHETIC INTELLIGENCE“ stehen, dem Leitsatz des Audi Design, der für Verschmelzung von innovativer Technologie und progressivem Design steht. Eigentlich beginnt die Kommunikation schon im Cockpit des Interieurs. Im Exterieur genießen wir zudem Fahrspur- und Orientierungslicht, spezifische dynamische Lichtinszenierungen, Individualisierung digitaler Lichtsignaturen, Orientierungslicht auf der Landstraße, erweiterte Verkehrsinformationen, und, und, und …
Mit dem automatisierten Fahren kommt noch einiges hinzu: „Die Bedeutung von Licht in der künftigen Mobilität wird ganz klar zunehmen. Bei heutigen Serienmodellen ist Licht neben ästhetischen Gründen vor allem ein Sicherheitsfaktor. Beim automatisierten Fahren wird die Hauptfunktion des Lichts aber nicht mehr das Sehen sein, sondern die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern. Es bekommt also eine soziale Komponente. Dafür entwickeln wir eine neue Form der Lichtsprache, die über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg selbsterklärend und international verständlich sein muss. Diese Kommunikation kann entweder auf dem Fahrzeug selbst stattfinden oder auf den Boden projiziert werden“.
Während mir Muntada alles erklärt, schaue ich mir die Zukunft auf dem überdimensionalen Bildschirm an. Neben der Sicherheit wird mein Auto auch in der Lage sein, eine Warnung auf den Boden zu projizieren. Und die Ideen, die zeigen, was möglich sein kann, gehen weiter. Eine Drohne, die die Fahrt durch die Natur mit Licht begleitet, um Tiere und den Weg besser sehen zu können. Ein Regenschirm, der Licht macht, wenn man ihn aufspannt. Den hätte ich jetzt schon gerne in Sarajevo, wo die Straßenbeleuchtung noch zu wünschen übriglässt und die Knöchel über die vielen Schlaglöcher alles andere als erfreut sind. Ich erfahre mehr über die Zukunft der Licht-basierten Gamification. Fasziniert bin ich von der Car-to-X-Kommunikation. Mit Genehmigung der Zulassungsbehörden könnte so der nachfolgende Verkehr frühzeitig auf lokale Gefahren wie Glatteis oder ein Stauende aufmerksam gemacht werden, während die digitalen Matrix-LED-Scheinwerfer einen gut sichtbaren Lichtteppich mit verschiedenen Warnhinweisen nach vorne projizieren.
César Muntada beendet seinen Vortrag. Das Licht geht an. Ich werde zurück in die Realität katapultiert. Nein, er hat nicht zu viel geredet. César Muntada bewegt die Herzen der Menschen mit seiner Leidenschaft. Das ist nicht nur sein Verdienst, wie er immer wieder betont. Sein Team und er sind wie ein Geflecht von Nervenbahnen, die einen gemeinsamen Nervenstrang bilden, der seine Vision Wirklichkeit werden lässt. Ich bin glücklich, mein Gehirn hat neue Nervenstränge gebildet. Und meine Zell-Telomere sind auch länger geworden. Ich will gar nicht weg, ich will noch mehr sehen und erleben. Vor allem will ich zurück in die Zukunft des Lichts.
Licht ohne Schatten gibt es nicht. Licht kennen wir nur aus der Dunkelheit. Und es geht immer um Sehen und Gesehen werden. Dank der Licht-DNA von Audi ist das jetzt bei Tag und Nacht möglich.