„Alle auf die Strasse!“ – Bosniens Stadt Tuzla kämpft um Gerechtigkeit für Bosnien und Herzegowina

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Proteste in Tuzla
Proteste in Tuzla
Die bosnische Stadt Tuzla ist eine Industriestadt. Das liegt vor allem an ihren Salz- und Kohlevorkommen. Schon zur Zeit von Jugoslawien war sie die bedeutendste Industriestadt des Landes. Während des Balkankrieges stach die Stadt dadurch hervor, dass ihre Bevölkerung gemeinsam gegen die serbischen Nationalisten kämpfte. Bis heute ist sie berühmt dafür, dass bei ihren Bewohnern eine nationalistische Partei kaum Chancen hatte.
So wundert es nicht, dass am 05.02.2014 Proteste gegen Korruption genau in dieser Stadt ihren Anfang in Bosnien und Herzegowina fand. Die Bevölkerung wirft der Politik betrügerische Machenschaften bei der Privatisierung der Unternehmen vor. Viele der Chemie-Fabriken haben ihre Pforten geschlossen und die Arbeitnehmer haben seit Monaten kein Lohn mehr bekommen. „Die Regierung hat es geschafft durch selbst initiierte Gesetzgebung Privatisierung von erfolgreichen Fabriken zu verabschieden. Diese sind nun pleite und ihre Arbeiter stehen nun auf der Strasse ohne Geld und Job. Helfen wird ihnen keiner,“ erzählt ein junger Demonstrant. „Mir wurde bewusst, dass es sehr viele kompetente Arbeitslose im Land gibt, ohne jegliche Unterstützung von der Regierung erwarten zu können.  Meine Eltern, beide Akademiker, suchen schon seit Jahren einen Job. Man müsste neue Industrie aufbauen, um den jungen Menschen des Landes eine zukünftige Perspektive zu geben. Der Organisator der Proteste will diesen Menschen helfen,“ erzählt ein Familienmitglied von Aldin Siranovic, dem Initiator der Proteste.
When throwing stones at govt.be stylish like a Bosnian girl!! (https://twitter.com/LaylaEnesa)
When throwing stones at govt.be stylish like a Bosnian girl!! (https://twitter.com/LaylaEnesa)
Am 05.02.2014 bewegte sich die Masse zum Regierungsgebäude, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Sie bestand aus jung und alt. Geplant war eine friedliche Demo. Nachdem kein Minister das Gebäude verliess, um mit dem Entlassenen zu sprechen, versuchte die Masse, das Gebäude zu stürmen. Polizei und Spezialeinheit verteidigten das Ministerium. „Es kam der Befehl vom Premier Causevic, dass die Polizei ‚auf den Pöbel einschlagen sollte und zwar quer durch die Bank‘,“ erzählt Mehmed Siranovic. Die Situation eskalierte. Während die Spezialeinheit auf die Masse einschlug, sahen die Minister vom Fenster aus zu: „Sie schlugen auf Frauen, Kinder und alte Menschen,“ erzählt ein junger Demonstrant. Der Organisator Aldin wurde dabei schwer verletzt und mit weiteren Demonstranten verhaftet und abgeführt. Es gibt anscheinend Video-Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie er von einigen Polizisten gleichzeitig brutal niedergeschlagen wird.  „Er ist immer noch in Haft und nicht einmal meine Eltern dürfen ihn besuchen, auch wenn er verletzt ist. Wir wissen nicht einmal wie es ihm geht,“ erzählt Aldins jüngerer Bruder. „Wir jungen Menschen sind mit friedlichen Absichten aufgetreten, um etwas an der ausweglosen Situation zu ändern, aber wir bezahlten teilweise mit schweren Verletzungen.“
"Alle auf die Strasse, hebt Eure Ärsche!"
„Alle auf die Strasse, hebt Eure Ärsche!“
Am 06.02.2014 um 12.00 Uhr Mittags traf sich die Menge vor dem Ministerium wieder und verlangten die Freilassung der Demonstranten. Das Gebäude wurde mit Steinen und Eiern beworfen, Autoreifen wurden im Brand gesetzt. Die Zahl der Versammelten hat sich von etwa 2000 auf 8000 erhöht. Doch man entzündete auch Kerzen und brachte den Polizisten und der Spezialeinheit Rosen. Die Polizei antwortet mit Tränengas. Die Menschenmasse auf Seiten der Demonstranten ist zu groß, die Polizei zieht sich zurück. Busse mit Menschen kommen von außerhalb, um die Bevölkerung zu unterstützen: „Alle auf die Strasse, hebt Eure Ärsche!“ ist das Motto. In Facebook und Twitter werden Fotos von den Demonstrationen verbreitet: “ MeIn Vater hat 1995 die Stadt verteidigt, jetzt tue ich es! Wir sind nicht Moslems, Katholiken, Orthodoxe – wir sind Bosnier aus Tuzla!“, schreibt ein Demonstrant.
Doch Tuzla wurde nicht allein gelassen. Von weiteren bosnischen Städten wie Bihac, Kakanj, Zenica oder Banja Luka bekommen sie Unterstützung. Auch hier protestieren die Bewohner für ein korrupt-freies Bosnien und Herzegowina: „Es kann nicht sein, dass Politiker das hundertfache eines Arbeiterlohnes verdient!“ In Sarajevo kam es zu denselben Ausschreitungen wie in Tuzla. Die Menschen bewarfen das Parlament mit Steinen und Eiern. „Vielleicht wäre es besser, anstatt das Gebäude mit Steinen, Köpfe mit Ziegeln zu bewerfen.“ schrieb ein Demonstrant auf Facebook in Anspielung auf die Köpfe der Politiker. Auch hier wurden etliche Demonstranten verhaftet.

Der Bruder vom Organisator bitten auf Facebook, nicht mit brutalen Absichten zu den Demos zu gehen: „Ich bitte alle Beteiligten, dass sie bei den Protesten friedlich ihre Wünsche fordern.“ Weiterhin hat die Polizei mit Hooligans und Plünderern zu kämpfen. Gerade ist die Situation in den Städten ruhig. 102 Polizisten  und 28 Demonstranten wurden mit teils schweren Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert. „Doch wir werden weitermachen – morgen treffen wir uns wieder,“ informiert die Organisation ihre Follower in Facebook. „Wir fordern doch nur das Mindeste, was in anderen Ländern dieser Welt normal ist,“ sagt ein junger Demonstrant. Die Organisation hat schon einen Grund zur Freude: Aldin Siranovic ist gerade frei gelassen worden. Und morgen wird er wieder bei den Protesten anzutreffen sein.

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14 Kommentare

    1. Hi Nico, I got some pictures from Banja Luka, there weren’t so many people, but there was a support. So, I didn’t get any informations about Prijedor and Mostar, but that’s a great message!!!

      Thanks a lot!

      Best!

      And hey, your english is great!

  1. Ich bin fassungslos und hoffe auf ein gutes Ende für die Bevölkerung.
    Dir danke ich fürs Zusammenfassen, ich konnte auf fb mir nicht so ein Bild machen und in eurer Sprache kann ich das leider nicht verfolgen.
    Liebe Grüße Sina

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