„Balkan Diaries“ in Bosnien und Herzegowina: „Die Bosnier sind die Iren des Balkans“
Der Fotograf Thomas Bönig reist im September 2013 zusammen mit einem Kameramann und Journalisten nach Bosnien, um das Land näher kennen zu lernen. Sie besuchen viele Städte, reisen 3486 Kilometer durch das Land. Bei ihrer Rückkehr haben sie viele ihrer Impressionen auf Fotos und Videos festgehalten, welche diesen Freitag in Nürnberg vorgestellt werden. Balkanblogger sprach mit dem Fotografen, um seine Beweggründe zu dieser für den Westen sehr ungewöhnlichen Reise zu erfahren und den Grund für die „düsteren“ Bilder zu hinterfragen.
Warum fiel die Wahl auf Bosnien und Herzegowina?
Die Frage wurde mir in der Zwischenzeit in jedem Interview gestellt und man sollte meinen ich hätte in der Zwischenzeit eine smarte und plausible Antwort darauf. Ich kann dazu nur sagen, dass ich einen Beitrag im Fernsehen gesehen habe, eine Gedenkfeier in Sarajevo, bei der für jeden Toten ein roter Plastikstuhl aufgestellt wurde… Und diese Stuhlreihe war unglaublich lang. In dem Zusammenhang wurden einige Ausschnitte von Kämpfen gezeigt und ich war erschrocken, dass ich mich an bestimmte Bilder erinnern konnte. Ich kann nicht älter als 9 gewesen sein zu den Zeitpunkt. Dieser Krieg hat mich also als Kind irgendwie mitgenommen und je mehr ich recherchiert habe, desto logischer wurde es, dort hin zu fahren, zumal das Land direkt vor unserer Haustüre liegt. Keiner schien eine Verbindung dazu zu haben – weder in kulturellen noch in touristischen Belangen. Ich wollte dort hin, um zu sehen was es dort zu finden gibt, wie die Menschen ticken, wie das Land aussieht das eigentlich niemand kennt, obwohl jeder weiß, dass dort Krieg war. Ich war fasziniert von der Idee, ein Ziel gefunden zu haben, das so nahe liegt, aber viel weiter entfernt zu sein scheint als die Türkei, Mallorca oder die USA.
Weshalb sollte man nach Bosnien reisen?
Mal anders rum gefragt: warum sollte jemand nicht nach Bosnien reisen? Mir fallen keine Gründe ein. Es gibt viel zu sehen, egal ob man Landschaften sehen will, die einmalig in Europa sind, oder in Sarajevo zum shoppen unterwegs ist, in Mostar den Brückenspringern zuschaut oder in Tuzla in einem Kaffee sitzt und sich mit Studenten unterhalten will – langweilig wird es da nirgends. Wir reden immer von Europa, als ob wir alle gleich wären und gleich sein müssten – alles muss Normen erfüllen. In Bosnien gibt es noch Abenteuer zu erleben, es ist bezahlbar und man ist herzlich willkommen. Das allein sind drei Gründe, um Europa auch da kennenzulernen, wo es anders, aber trotzdem Teil des Ganzen und einer Familie ist.
Warum ist Bosnien wichtig für Europa?
Es gibt Länder die ein Erbe tragen, historisch und kulturell. Bosnien führt uns vor Augen, wie schnell Katastrophen ausbrechen können und wie schwer es ist, Wunden zu heilen. Es zeigt uns auch, wie schnell der Mantel des Vergessens ausgebreitet wird und wie lange dieser in den Köpfen liegen bleiben kann. Aber wir können auch alle aus dem lernen, was die jungen Leute dort heute sagen und das ist vor allem: „Nie mehr Krieg! Wir wollen Arbeit! Es muss vorwärts gehen!“ Das sind Dinge, die in ganz Europa zu hören sein sollten. Es geht uns deutlich besser als dem bosnischen Durchschnittsverdiener. Bosnien mit all seinen Facetten zeigt unserer Gesellschaft ihre Grenzen auf – im positiven wie im negativen. Und ich wünsche mir manchmal, dass die junge Generation in Deutschland genauso reflektiert an ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und ihre Zukunft herangehen würden wie wir das in Bosnien erlebt haben.
Eure Bilder sind sehr düster. Warum eigentlich?
Unsere Reise war die subjektive Momentaufnahme eines Landes, das viel mitgemacht hat. Wir haben auch viel gelacht und Spaß gehabt – sogar unglaublich viel. Zusammenfassend schwebt über Bosnien aber eine Melancholie, die in jeder Bekanntschaft und in jedem Gespräch mit schwingt – und so auch in meinen Bildern, in Axel’s Texten und Martin’s Videoaufnahmen. Wir haben dargestellt, was wir empfunden haben. Ich wehre mich auch dagegen das ganze als düster zu bezeichnen. Melancholie ist eher das richtige Wort, denn Bosnien an sich ist alles andere als düster und unnahbar. Es ist melancholisch, emotional aber wunderschön. Irgendwer hat gesagt, dass die Bosnier die Iren des Balkans sind…das unterschreibe ich sofort: ehrlich, melancholisch, gastfreundlich, streitbar, aber mit einem aberwitzigen Humor gesegnet…und trinkfest sind sie auch. Wir haben alle unsere Eindrücke in einem Buch zusammengefasst, auch weil sich die Reise dadurch nochmal intensiver erleben lässt und die Eindrücke auch irgendwie aus uns raus mussten. Das, was wir aus Bosnien mitgenommen haben, mag melancholisch sein, aber wir haben es voll und ganz genossen.
Also hast Du Dich in das Land verliebt…
Ich glaube, es gibt Länder zu denen man sofort eine Verbindung aufbauen kann. So chaotisch und verworren alle Zusammenhänge in Bosnien scheinen, so logisch sind die Resultate daraus. Es erklärt. warum Bosnien und seine Menschen sind, wie sie sind. Mal ganz abgesehen davon, dass die Landschaften grandios sind, die Gastfreundschaft ihresgleichen sucht und die Frauen wunderschön sind…haha. Spaß beiseite, die Menschen haben es uns leicht gemacht das Land lieben zu lernen. Ich bin weit gereist und habe selten bis nie so viel Gastfreundschaft, Ehrlichkeit und Interesse erlebt wie in Bosnien. Es war ein bisschen, als ob wir nach Hause gekommen sind. Daheim gibt’s ja auch Ecken, die man nicht mag oder Verwandte, mit denen man nicht klar kommt, aber es fühlt sich nur daheim an wie daheim.
Der Besucher hat die Möglichkeit, auf der Vernissage ein auf 120 Stück limitiertes Buch über die Reise zu erwerben, sowie Fotografien zu ersteigern oder Postkarten zu erwerben. Der Erlös des Verkaufs und der Versteigerung kommt dem Kinderheim „Center Duga“ in Bihac zugute.
Information:
Vernissage im Loftwerk ab 20.00 Uhr
Ulmenstrasse 52 F / 1.OG
90443 Nürnberg
Programm:
20.00 Uhr Welcome
20.15 Uhr: Film „The Balkan Diaries“
20.30 Uhr „Exhibition“
21.00 Uhr Live Act „MyFlint“
http://www.balkan-diaries.de
http://www.thomasdoes.com
Es darf für das Kinderheim auch gespendet werden: www.schutzengel-gesucht.de
„Mal ganz abgesehen davon, dass die Landschaften grandios sind, die Gastfreundschaft ihresgleichen sucht und die Frauen wunderschön sind…“
🙂
Hat dies auf fremdewelten rebloggt.
Danke:-))
😉 🙂