Mostar – das Leiden der jungen Nachkriegs-Generation
„… Ich kann anhand der Hautfarbe einen Moslem erkennen. Auch anhand seiner Aussprache, seiner Bewegung, seines T-Shirts. Man sieht es ihm am Gesicht und seiner dunkleren Hautfarbe an. Zumindest hier in Mostar ist es so. Ich weiß nicht, wie es in anderen Städten ist …“ Das ist nur eine der traurigen Aussagen eines Jugendlichen aus Mostar. Ante besucht das vorletzte Jahr eines Gymnasiums.

Mostar ist weltberühmt für seine Schönheit und reichhaltige Geschichte. Leider ist die ehemals multikulturelle Stadt auch berühmt für seine dauerhafte ethnische Teilung durch den Balkankrieg. Im Osten befindet sich der bosniakische bzw. moslemische, im Westen der kroatische Teil. Genauso findet eine Teilung in Antes Gymnasium statt, das unter dem Projekt „Zwei Schulen unter einem Dach“ bekannt ist. Hier werden Kinder aufgrund ihrer Ethnie getrennt voneinander unterrichtet.

In seinem Gymnasium startete Radio Slobodna Evropa in Kooperation mit The National Endowment for Democracy das Projekt „Perspektiva“. Das Thema beschäftigt sich mit Jugendlichen und dem Einfluss des Krieges auf sie. „Wir möchten die Öffentlichkeit sensibilisieren auf die Ergebnisse. Kinder werden aufgrund von verschiedenen Bildungsprogrammen nationalistisch geteilt. Dadurch isolieren sich die ethnischen Gruppen voneinander. Sie wachsen mit Vorurteilen auf und vertreten radikale Bilder“, erklärt die zuständige Redakteurin Ada Sokolovic. „Die Jugendlichen haben erzählt, wie sie empfinden und man darf sie dafür nicht verurteilen. Sie redeten ohne Druck und waren mutig, über ihre Empfindungen zu reden. Diese Meinung, die sie vertreten. kommt nicht von ihnen selbst. Sie entsteht auf Druck der Gesellschaft und durch die ältere Generation.“


Die überzeugte Kroatin Barbara widerspricht ihr: „Ich habe zwei Freundinnen, die auf die andere Seite gehen und auch Freunde anderen Glaubens haben. Das finden wir in der Klasse nicht gut. Sie werden von unserer Seite abgestoßen. Ich bin gegen eine Mischehe. Meine Eltern hassen niemanden, aber sie sagen zu mir, ich sollte mich von denen fernhalten (d.h. Bosniaken). Ich habe Angst vor ihnen und fühle mich bei ihnen nicht wohl.“

Luka stimmt Barbara zu und zeigt, wie sehr sich diese Teilung auf sein zukünftiges Leben auswirkt: „Das Verhältnis zwischen Kroaten und Bosniaken kann nicht verbessert werden. Dieser Krieg und der damit verbundene Hass stecken zu tief drin. Ein Mädchen sagte, dass wir keine Angst haben sollten. Es wird uns nichts passieren. Das stimmt nicht. Es findet sich immer ein Idiot, der uns umbringen kann. Ich hoffe, dass ich mal einen Beruf im kroatischen Teil in Mostar bekomme. Falls nicht, muss ich mich daran gewöhnen, dass es ein Job im anderen Teil sein wird. Oder im bosniakischen Teil in Sarajevo. Es werden mich dort einige nicht lieben aufgrund meiner Herkunft.“

Dass solche Aussagen verletzen können, erzählt Amila. Sie ist Moslemin und somit eine Bosniakin. Das letzte Wort kann sie kaum aussprechen. Es zeigt die Absurdität der ethnischen Teilung, der sich die Kinder unterwerfen müssen: „Leben in Mostar ist im Vergleich zu anderen Städten etwas besonderes. Kinder haben im Vergleich zu Erwachsenen keine Vorurteile. Vorurteile kommen durch das Leben und durch die Erziehung aus dem Haus. Ich bin Moslemin, also Bosniakin und meine besten Freunde waren Kroaten. Von einem Tag auf den anderen war den Kontakt nicht mehr da, sie haben uns abgestoßen. Nur aufgrund der Religion. Ich war damals 10 Jahre alt.“ Sie beginnt an zu weinen und bricht das Interview ab.

Anesa bringt es auf den Punkt: „Wir sind alle Mostar. Wir sind alle eins und gleichberechtigt. Wir junge Frauen sind größtenteils tolerant. Es sind eher die Männer, die den Konflikt suchen. Auch was die Liebe anbelangt, mache ich keinen Unterschied. Natürlich muss der männliche Part auch tolerant sein.“


Doch Ante nahm nach diesen offenen Gesprächen den Mut zusammen und besuchte zum ersten Mal die Altstadt von Mostar. Wahrscheinlich ist er erleichtert, als er zum ersten Mal die Alte Brücke betritt und über die Neretva blickt. Er sitzt in einem Café, bestellt einen Espresso und blickt auf die Brücke: „Wir jungen wollen diese Konflikte nicht. Die Grenze kann sicherlich gelöst werden, allerdings nicht in naher Zukunft. Der Krieg ist erst 20 Jahre her und ein Großteil der Bevölkerung hat ihn erlebt. Da ist Hass entstanden. Wir Kinder haben ihn nicht erlebt, aber unsere Eltern projizieren den Hass auf uns, sowohl auf der bosniakischen als auch auf der kroatischen Seite. Wahrscheinlich wird dieser Hass nicht mehr auf unsere Kinder übergehen. Was den Hass eindämmen könnte sind Jobs und Schulen wie das Alte Gymnasium in Mostar, das gemischt ist. Oder auch Konzerte.“

Wünsche eines jungen Menschen, dem nicht erlaubt war, sich frei zu entfalten. Die Bildungspolitik wird sich ändern müssen. Die Redakteurin Ada Sokolovic hofft, „dass das Projekt Zwei Schulen unter einem Dach aufgelöst wird, damit endlich die ethnische und religiöse Teilung aufhört.“ Das Bildungsministerium und die Schule waren über das Projekt benachrichtigt. Vielleicht ist das schon ihr erster Schritt in eine bessere und versöhnliche Zukunft, wie sie sich die Kinder und Jugendlichen innerlich und manchmal auch heimlich wünschen.
Links zu den Sendungen Teil eins bis drei (in Original-Sprache):
http://www.slobodnaevropa.org/media/video/perspektiva-prva-epizoda-mostar/26835252.html http://www.slobodnaevropa.org/media/video/perspektiva-druga-epizoda-mostar/26849554.html http://www.slobodnaevropa.org/media/video/serijal-rse-perspektiva-treca-epizoda-mostar/26861554.html

Traurig was blinder Hass anrichten kann.
Ja, absolut!
das mädchen selma hat es am besten gesagt: wer wirklich religiös ist, kann keinen anderen hassen