Srđan Puhalo: „Wie ich 130 Salafisten überlebte“

Am Samstag den 14.05.2016 tagen in Banja Luka, der Hauptstadt der Entität Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina, sowohl die Protest-Opposition als auch die Regierung. Das wird nach „Balkan-Manier“ sowohl von den Medien als auch Politikern hochgeschaukelt. Dabei tritt aktuell eine Aussage der Dodik-Partei hervor. Es würden viele Salafisten, denen nachgesagt wird, sie seien Mitglieder der IS, in die Stadt eintreffen, um diese „auseinander zu nehmen.“ Der bekannte Blogger und Polit-Analytiker Srdjan Puhalo aus Banja Luka besuchte zwei Monate lang salafistische Dörfer in ganz Bosnien-Herzegowina. Darüber schrieb er eine Kolumne und machte klar, wie bewusst Lügen seitens der Regierung über ihre Mitglieder durch Medien verbreitet werden, um u.a. die nationalistische Dodik-Politik durch Schüren von Angst zu stärken.

Autor: Srdjan Puhalo

Srdjan Puhalo
Srdjan Puhalo

In den letzten zwei Monaten traf ich mich mit mehr als 130 Salafisten in Jablanica, Sarajevo, Zenica, Maglaj, Bocinja, Tuzla, Gracanica, Sanski Most, Kljuc, Ošva und Maoči. In Zenica sprach ich mit ihnen über alles, in Maglaj  luden sie mich zum Mittagessen ein und schenkten mir einen Koran. In Kljuc war ich zu Gast in einem Haus, in Sarajevo aß ich mit 20 von ihnen ein köstliches Risotto zum Abendessen. In Ošva machte ich ein Selfie mit Izet Hadzic. In Maoca war ich bei dem Gastgeber zu Gast, spazierte mit ihm durch das Dorf und sprach über die Lebensbedingungen. In Bocinja bestanden sie darauf, dass ich ihre serbischen Nachbarn besuche, um sie zu fragen, wie sie mit ihnen leben. In Maglaj war ich an einem Freitag und so nahm ich am Freitagsgebet in der Moschee teil. In der Moschee von König Fahd in Sarajevo besuchte ich das Abendgebet.

Ich muss Sie enttäuschen, denn ich habe keinen einzigen Terroristen getroffen. Ich begegnete auch keinen Menschen, die Selbstmordanschläge in Paris und Brüssel befürworten oder das, was IS im Irak oder in Syrien machen. Oder jemandem, der es kaum erwarten kann, sich in die Luft zu jagen. Vielleicht haben sie sich geschickt verstellt, vielleicht haben sie solche vor mir verborgen, aber ich bin ihnen nicht begegnet.

Was den Krieg in Syrien anbetrifft  ist ihre Erklärung zu den Ursachen und Folgen des Krieges eine ganz andere im Vergleich zur „westlichen“ Version. Doch es ist interessant, ihre Interpretation der Ereignisse zu hören. Die Rolle der Amerikaner im syrischen Krieg nehmen die Serben ähnlich wahr, während der Unterschied der Wahrnehmung im Bezug auf Russland oder die Türkei spürbar ist.

Selfie mit Izet Hadzic in Osva (Foto: Srdjan Puhalo)
Selfie mit Izet Hadzic in Osva (Foto: Srdjan Puhalo)

Ich sah, dass sie jeweils sehr unterschiedlich im Charakter, der Art der Kleidung, im Familienleben, in Berufen, ihrem vergangenen Leben, bevor sie begannen, diese Art des Islams anzunehmen, waren. Einige waren sehr nett, andere hörten nicht auf zu lachen und Witze zu erzählen. Und es gab auch diejenigen, die ruhig, zurückhaltend und argwöhnisch waren. Sie sind sich dessen bewusst, dass es auch unter ihnen schwarze Schafe gibt und dass einige Dinge anders gemacht werden müssten. So unterscheiden sie sich gar nicht so sehr von uns.

Ich habe gesehen, dass sie bei ihren Eltern, Verwandten und Freunden aufgrund ihrem praktizierenden Islam auf Unverständnis treffen, obwohl keiner von ihnen gezwungen wurde das zu werden, was er ist. Ich sah, dass in Ošva und Maoca asphaltierte Straßen benötigt werden. Sie wünschen sich, dass ihre Strassen asphaltiert werden, doch sie kommen nie an die Reihe. Es kommt mir vor, dass sie nicht einmal die lokalen Behörden mögen und sie bewusst isoliert halten.

Ich sah, dass viele verhaftet und eingesperrt wurden, nur weil sie einen langen Bart und kurze Hosen trugen, und nicht, weil sie ein Verbrechen begangen haben. Sie sind wütend, weil die Polizei sie zuerst spektakulär verhaftet, um sie danach diskret freit zu lassen, weil sie keinen Grund haben, sie zu verwahren oder zu verurteilen.

Ich sah, dass sie nicht sehr gut mit den Medien umgehen können. Sie erzählten mir, dass die Medien sie oft getäuscht und ihr Vertrauen ausgetrickst hatten, um spektakuläre Unwahrheiten zu verbreiten. Ich habe kein Geld aus Saudi-Arabien zu Gesicht bekommen, das sie angeblich fürs Tragen des Niqab oder der kurzen Hosen bekommen. Aber ich habe gesehen, dass sie sehr viel arbeiten, ein bescheidenes Leben führen und sich gegenseitig helfen. Meistens haben sie ihre eigenen kleinen Unternehmen (Handel, Imkerei, Landwirtschaft), weil sie nur sehr schwer als Arbeitnehmer einen Job finden. Es gibt kaum Arbeitgeber, die regelmäßig von der Sicherheitspolizei besucht werden möchten. Auch im öffentlichen Dienst sind sie nicht gerade erwünscht.

Natürlich habe ich das alles gesehen, weil ich für mich beschlossen habe, ihre Lebensweise und Praxis des Islam zu respektieren ohne ihnen meine Vision des Lebens aufzudrängen.

Einige werden mich für naiv und dumm halten, weil ich den ganzen Hintergrund nicht sehen würde, andere werden sagen, dass ich ehrlich und sehr tapfer wäre, weil ich bei ihnen war, mit ihnen sprach und auch jetzt darüber schreibe. Es wird auch Dritte geben, die behaupten werden, dass ich von Saudi-Arabien bezahlt wurde. Aus mir wurde kein Muslim, noch hat sich meine Meinung über die Religion in den letzten zwei Monaten verändert.

Allerdings hat sich mein Wissen über die Salafisten verändert, und meine Vorurteile über sie und Ängste ihnen gegenüber sind jetzt kleiner. Die Welt ist nicht schwarz und weiß, und wir können nicht alle Grauzonen ignorieren, die es gibt. Ich werde immer ihr Recht verteidigen, ihren gewollten Islam so lange auszuüben, wie sie es wünschen und solange er nicht mein Recht gefährdet, an das zu glauben, woran ich möchte oder eben an gar nichts zu glauben. In dem Moment, wenn es überhaupt dazu kommen sollte, wenn sie ihn mir auferlegen möchten, werden sie in mir den größten Feind finden. Und das habe ich ihnen auch gesagt.

Zum Original: http://www.frontal.ba/blogovi/blog/60745/kako-sam-prezivio-130-selefija

Srđan Puhalo: "Wie ich 130 Salafisten überlebte" 1

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